Der Hobbit im Wirsbergtheater – vier ausverkaufte Vorstellungen – eine Rezension mit Fotoshow
„Der Hobbit“ – gegen das „Auf und Ab im Leben“ sind Theater, Musik und Spielwitz die besten Gegenmittel – ein erfolgreiches Projekt der Theatergruppe der Unterstufe findet begeisterten Zuspruch.
Kann meine eine Phantasieerzählung eines Professors aus dem frühen 20. Jahrhundert, der sich in erster Linie mit altenglischer Mythologie und Sprache beschäftigte, in ein Theaterstück verwandeln? Ja, es funktioniert und zwar sehr gut. Kann man Schülerinnen und Schüler dazu bewegen, sich über Wochen und Monate mit der doch nicht ganz einfachen Materie des „Hobbits“ auseinanderzusetzen und sie zu Proben motivieren, die manchmal ein ganzes Wochenende andauern? Ja, auch das ist möglich. Kann man nicht nur Kostüme, stimmige Bühnenbilder, sondern auch eine eigene Musik „aus dem Hut zaubern“, um das Theatererlebnis für alle Zuschauerinnen und Zuschauer noch eindrucksvoller zu gestalten? Ja, das ist ebenfalls möglich. – Damit wäre ja schon fast alles zum Ausdruck gebracht, was die Theatergruppe der Unterstufe des Wirsberg-Gymnasiums in den letzten Monaten geleistet hat.
Spannende Entstehungsgeschichte
Befasst man sich mit dem Autor und dem Werk ein wenig näher, so wird deutlich, dass die Aufführung des Theaterstückes etwas vom Genius der Entstehungsgeschichte des „Hobbit“ widerspiegelt. So schreibt J.R.R. Tolkien: „Ich war mit der langweiligen Korrektur von Aufnahmeprüfungen beschäftigt, als ich auf eine Seite stieß, die ein Prüfling leer gelassen hatte. Eine leere Seite ist ein Segen für alle Prüfer, und ich war überglücklich. Ich drehte das Blatt um und schrieb auf die Rückseite: „In einer Höhle in der Erde lebte ein Hobbit.“ Allenfalls vielleicht hatte ich das Gefühl, dass es irgendetwas Kleines war. Jedenfalls hatte ich das Wort nie zuvor gehört oder gebraucht. Dann sagte ich mir, das ist der Anfang eines guten Buchs für meine Kinder.“ (zitiert nach Fabian Geier: J.R.R. Tolkien. Reinbek bei Hamburg 2009, S.73). Die Zeilen verdeutlichen, dass „Der Kleine Hobbit“ zum einen in einem (hoch-)schulischem Umfeld entstand und zum anderen sich an Kinder richtet. Und damit wandeln die für die Theater-AG zuständigen Lehrkräfte im Grunde ganz auf den Spuren Tolkiens.
Zwerge, Drachen, Orks, Spinnen und Wölfe
Jede mythologische Erzählung steht letztendlich für Lebensweisheiten und bringt Dinge zum Ausdruck, die in allen Völkern und Ethnien immer wieder kehren. Dafür steht zunächst die von Marlen Dubon und Karl Schneller gespielte Figur des Bilbo Beutlin, der im Grunde genommen in seiner bürgerlichen Welt zufrieden ist und risikoscheu seine Welt geordnet hat. Wer sich mit mittelalterlichen Epen beschäftigt hat, weiß aber auch, dass die „aventîure“ zum Lebenselixier eines Ritters gehört, der sich in der Welt bewähren muss. Und so kommt dann auch der ewige „Provokateur“ zum Tragen, nämlich in Gestalt des Zauberers Gandalf, der Bilbo und die Zwerge dazu anstachelt, sich auf die Suche nach Arkenstein zu begeben. Dieser Gandalf hat ein Doppelgesicht, er unterstützt zwar die Zwerge immer wieder bei den kommenden Auseinandersetzungen, die sie bestehen müssen, ist aber auch für den ganzen Schlamassel verantwortlich, in den die die Zwerge immer wieder hereingeraten. Mit ihren markanten Gesichtszügen gibt Ilaria Calesso eine prächtige Figur des „Magiers“ ab, unterstützt von der Requisite eines leuchtenden Zauberstabes, der mittels 3D-Druck extra für die Aufführung konzipiert wurde. Um möglichst viele Beteiligte aus der Unterstufe am gemeinsamen Theaterauftritt zu beteiligen, wurde mit zwei Gruppen gearbeitet. Das heißt, manche Schülerinnen und Schüler schlüpften an dem einen Abend in die Rolle Zwerge, während sie am anderen Abend Orks, Spinnen oder Wölfe waren. Genau diese Wechsel erwiesen sich probetechnisch als große Herausforderung, welche die Beteiligten aber mit Bravour bewerkstelligten.
Mythos und Musik
Wer sich mit Mythologie ein wenig auskennt, wird auch beim Theaterstück „Der Hobbit“ viele Bezüge zu anderen Stoffen erkennen. Und so erklingt beim Auftritt des Drachen Smaug auch die Ouvertüre von Richard Wagners „Rheingold“, das ja letztendlich auch den ewigen Kampf gegen die Urgewalten des Bösen zum Ausdruck bringt. Am Anfang steht eine „Ur-Harmonie“, die aus den Fugen gerät und dann in einem mühevollen Prozess wieder hergestellt werden muss. Geradezu diabolische Züge hatte der von Laurenz Müller und Fabio Böhm gespielte Drache Smaug, der durchaus an den Riesen „Fafner“ in Wagners „Rheingold“ erinnert, wenn dieser sich in einen Lindwurm verwandelt und in seiner Höhle den „Hort der Nibelungen“ bewacht. Von den Widerwärtigkeiten des Lebens und dem Kampf dagegen weiß auch das von Harald Otto Kraus komponierte und getextete „Zwergenlied“ zu sprechen, wenn es in der letzten Strophe heißt: „Geht es auf und ab im Leben, muss es gute Freunde geben, machen große Sorgen klein. Zusammen sind wir nie allein.“ Genau dieser Geist wehte an einem (und vielen anderen) phantastischen Theaterabend(en) im Wirsberg-Gymnasium, denn nach drei Tagen Dauerspiel entwickelten die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler eine Leichtigkeit sowie einen Spielwitz, in dem man seine Coronasorgen und vieles andere hinter sich lassen konnte.
Motivator, Regisseur und „Impresario“
„Die Nachwelt ficht dem Mimen keine Kränze.“ Mit diesen Worten beginnt Friedrich Schiller sein eher düsteres Drama des „Wallensteins.“ Aber auch große Dichter und Denker können manchmal einen sehr einseitigen Blick auf ihre Stoffe haben. Denn genau dieser Abend wird in der Erinnerung bleiben und man wird in trüben Tagen immer wieder gerne daran denken. Zu danken ist Frau Julia Greb. Die Altphilologin beflügelte mit „Liebe und Leidenschaft“ die Kinder. Zu danken ist vor allem auch dem „Spiritus Rector“ dieses ganzen Theaterunternehmens, dem verdienten Altphilologen und Menschenfreund Siegfried Hutzel, der mit unglaublicher Energie und pädagogischem Eifer etwas gestaltet hat, wofür ihm die Nachwelt durchaus Kränze flechten sollte, auch wenn er nicht als „Mime“ beteiligt war. Der Ausdruck Regisseur ist fast zu wenig, vielleicht sollte man von einem Impresario sprechen, den man zu Freude des sich leider bald in den Ruhestand verabschiedenden Pädagogen vielleicht auch mit dem Adjektiv „Impresario Wirsbergensis“ versehen sollte.
Dr. Dr. Thomas Richter