Vom Feuerstein zum Feuer machen — die 6. Klassen be-Greifen Kultur:
Archäologieworkshop zum Thema Steinzeit

Am 13./14.10. fanden in den 6. Klassen „Steinzeit-Workshops“ statt. Finanziert und ermöglicht durch die wertvolle Unterstützung des Freundeskreises des Wirsberg-Gymnasiums und des Elternbeirats begrüßten wir dazu zwei Expert*innen für Vor- und Frühgeschichte an unserer Schule: Wulf Hein und Cornelia Lauxmann brachten ihre (experimental)archäologische Erfahrung ein und breiteten Werkzeuge und Waffen, Kunst und Wissen vor den Schüler*innen aus. Über zwei Tage wurden E06 und E07 zu steinzeitlichen Jagdlagern und mesolithischen Höhlen, in denen Repliken aus Stein, Horn und Knochen gezeigt und eiszeitliches Knowhow vermittelt wurden. Vor den Augen und Ohren der staunenden Schüler*innenschar führten sie Rentierjacken, Feuersteinklingen, Beinnnadeln, Knochenflöten und Fettlampen vor, erläuterten die Hintergründe und gaben kundig Antwort auf viele Fragen: Warum heißt die Steinzeit eigentlich Steinzeit, wie schnell kann so ein Höhlenbär rennen und haben die damals wirklich Fallgruben für Mammuts ausgegraben? (Antwort: Quatsch, denn das kann in einem permadurchfrosteten Boden nicht funktionieren).

Wulf Hein, bekannt aus „Checker Tobi“ und „Der Sendung mit der Maus“ (https://bit.ly/4he5nYv <- Tobi und Wulf zeigen hier steinzeitliche Techniken), erklärte die Welt der Jäger*innen mit selbst gebauter Lanze, Speerschleuder und Bogen, gab Einblicke in die steinzeitliche Fauna (Mammut, Ren, Höhlenbär) und ließ die bekannteste Figur der Steinzeit durch die Hände gehen, den Löwenmenschen, den er für das Museum Ulm aus fossilem Mammutelfenbein in über 200 Arbeitsstunden nachgeschnitzt hatte (zum Werdegang dieser Rekonstruktion gibt es ein Video: http://bit.ly/4ola4lN). Aber auch steinzeitliche Musikgeräte wie Scraper, Knochenflöte und Schwirrholz machten im Klassenzimmer mächtig Wirbel und „ohrenkundig“, dass unsere Vorfahren durchaus schon Musik kannten. In der praktischen Werkstatt kamen danach Muscheln aus der Nordsee, Schnecken aus Franken und Bast aus der Wetterau zum Einsatz. Damit und mit viel Fingerspitzengefühl (Feuersteinklingen sind wirklich scharf und Bastschnüre wollen feinfingrig gezwirnt werden) schufen die Schüler*innen dann Ketten und Anhänger — genauso wie in Jagdlagern oder unter Felsüberhängen vor 30000 Jahren.

Cornelia Lauxmann hat als ausgebildete Archäologin bereits die Chauvet-Höhle erkunden dürfen (für die Forschungsgemeinde quasi der Louvre der Steinzeit) und führte in ihrer Kunst-Werkstatt die Kinder in die Geheimnisse von Höhlenmalerei und steinzeitlichen Idolen ein. Ihr Wissen räumte mit so einigen Klischees auf: Jagdgruppen etwa bestanden aus Männern und Frauen und im losen Lendenschurz von Fred Feuerstein wäre man in kürzester Zeit erfroren oder vom Mammut überrannt worden. Die Menschen damals waren weder dumm noch plump und konnten sich nur durch Kooperation in der Gruppe und fein entwickelte Kulturtechniken im Auf und Ab der Warm- und Eiszeiten behaupten. Wie kunstfertig sie dabei waren, zeigte Frau Lauxmann anhand der Repliken der Venus von Willendorf und Brassenpouy, sowie der Felsmalereien der großen Höhlen in Frankreich (Lascaux und Chauvet) und Spanien (Altamira). Die Maltechniken unserer Vorfahren erklärte sie am praktischen Beispiel und beantwortete dabei auch die zentrale Frage der Kinder: „Warum haben die Menschen das damals überhaupt gemacht: im Lichtschein einer winzigen Fettlampe tief im dunklen Berg lebendige Bilder von Bisons und Löwen an die Wand gemalt?“
Im praktischen Teil ihres Workshops stellten die Schüler*innen aus Gipsstein und unter (wiederum verletzungsfreiem!) Einsatz von Feuersteinklingen eigene Lämpchen her, die dann mit Frittierfett und ölgetränkten Wattedochten bestückt und im abgedunkelten Klassenzimmer entzündet wurden. In dieser „Klassenhöhle“ lauschten dann alle am Ende noch der Geschichte eines Höhlenmalers — beeindruckt vom Mut und den Fertigkeiten unserer Vorfahren.

„Hurra, Hurra, die Schule brennt“ — diese Liedzeile von Extrabreit hätte über dem Abschluss des Projekts stehen können, als Wulf Hein auf dem Pausenhof zum Abschluss der Werkstätten noch in die Geheimnisse des Feuermachens mit Flint (Feuerstein) und Pyrit (Katzengold/Schwefeleisen) einführte. Unter stetiger „Anfeuerung“ der Schülerschaft gelang es ihm mit Hilfe von Baumzunder, Rohrkolben und viel Erfahrung ein Mini-Feuer zu entzünden … das unter dem Heulen und Wehklagen der 6. Klassen aber auch gleich wieder im mitgebrachten Bronzetopf erstickt wurde.

Die beiden Praxistage zeigen gut, wie sich theoretische Inhalte und vermeintlich ferne Bildungsinhalte („Was hat die Steinzeit mit uns heute zu tun?“) in lebendiges Lernen und den Bezug zum eigenen Alltag übersetzen lassen: mit Methodenvielfalt und fachkundiger Expertise, durch eine flexible Gestaltung des Unterrichtsrahmens und vor allem über das Miteinander von Wissen/Erfahrung der Lehrenden und der natürlichen Neugier der Kinder können lebendige Lern- und Erfahrungsorte entstehen. Und die Eindrücke daraus sind überaus wertvoll und nachhaltig — wer jemals eine rasiermesserscharfe Feuersteinklinge nutzen durfte oder aus einfachsten Mitteln Feuer geschlagen hat, weiß dass Kultur nicht allein aus Bits und Bytes generiert wird, sondern auch noch in unseren modernen Körpern steckt.
Ein herzlicher Dank daher noch einmal an unsere Schüler*innen für das große Interesse und ihr Engagement, an die beiden Fachleute für ihre Expertise, an die Leitung und die Kolleg*innen für tolle Unterstützung und vor allem an den Freundeskreis der Schule für die freundliche finanzielle Hilfe, die diese Lernerfahrung für über 100 Schüler*innen an unserer Schule ermöglicht hat.